Am 07.03.2018 konnte Klinikdirektor Hans Ulrich Bilzer über 100 Besucher zum Vortrag „Gedanken verloren“ von Christof Jauernig in der Celenus Fachklinik Freiburg begrüßen. Die Klinikleitung hatte Jauernig vor dem Hintergrund der Thematik beruflicher Belastungsstörungen wie „Burn out“, die u. a. in der Klinik behandelt werden, eingeladen, um Öffentlichkeit, Patienten, Zuweisern und Fachöffentlichkeit ein unkonventionelles Beispiel eines Weges aus einer persönlichen Sinnkrise vorzustellen.
Was tun, wenn der Job mit dem man sein Geld verdient keinen Sinn mehr macht und erst recht keine Freude? Es gibt nicht wenige Menschen denen es so geht, die am liebsten ausbrechen wollen, wäre da nicht diese große Unsicherheit, wie es jenseits des gekündigten Arbeitsvertrags weitergeht. Christof Jauernig stand genau an diesem Punkt. Er fasste sich ein Herz, kündigte seinen Job und reiste ein halbes Jahr lang mit dem Rucksack durch Südostasien. In seinem Vortrag schilderte Jauernig seinen Ausstieg, seine Reise und wie er die Freude am Leben wiederfand.
Als Analyst einer Unternehmensberatung hatte Jauernig eigentlich seit Jahren eine gute Arbeitsstelle: mit unbefristetem Vertrag und respektablem Gehalt. Zu seinen Haupttätigkeiten gehörte das Erarbeiten von Analysen und Studien zu diversen Themen der Bankenbranche. Doch verloren die Arbeitsaufträge und die Perspektive auf die nächste Erfolgsstufe schleichend ihren Reiz für ihn. Zunehmend fühlte er sich unwohl in der von Umsatzzielen dominierten Arbeitsatmosphäre und konnte sich mit der von ihm untersuchten Bankenwelt immer weniger identifizieren. Doch er blieb. Wie viele, aufgrund der scheinbar unausweichlichen Notwendigkeit, für Karriere und gutes Einkommen die Zähne zusammenzubeißen. „Ich musste mich jeden Tag zwingen, in ein Büro zu gehen, in dem ich nicht sein wollte, um Dinge zu tun, die ich nicht mehr machen wollte“, sagt Jauernig.
Zu guter Letzt jedoch fällte er noch ganz ohne Plan B den intuitiven Entschluss, sowohl den Analystenjob als auch die Bankbranche hinter sich zu lassen. Ein Wendepunkt in seinem Leben: „Ich war wie elektrisiert. In meiner Brust breitete sich ein Gefühl von Wärme aus, das tagelang nicht wegging.“ Bald nach seinem letzten Arbeitstag brach Jauernig auf seine sechsmonatige Rucksackreise durch acht Länder Südostasiens auf. Über 4.000 Kilometer legte er auf dem Motorroller zurück. Rückblickend beschreibt er diese Zeit als ein magisches Erlebnis, bei dem die Wiederentdeckung der Schönheit der Natur um ihn herum, für die er jetzt wieder Augen und Zeit hatte, für ihn eine große Rolle spielte. „Es ging mir darum, mich wirklich im Hier und Jetzt zu verwurzeln und die Fixierung auf die unsichere Zukunft loszulassen.“ Das sei gut gelungen. Nicht ein einziges Mal habe er seine Kündigung bisher bereut.
Die Augenblicke seiner Reise hielt Jauernig fotografisch fest und teilte die Bilder zusammen mit notierten Reiseimpressionen mit seinen Freunden auf Facebook. Weil ihn viel positive Resonanz erreichte, beschloss er, nach seiner Heimkehr daraus eine Ausstellung zu erarbeiten. Die Vernissage im April 2016 mit Fotografien und von eigenen Klavierimprovisationen unterlegten gelesenen Texten wurde ein voller Erfolg. „Als ich in den Augen mancher Gäste Tränen sah, dämmerte mir, dass ich anscheinend eine Sehnsucht berührt hatte, die nicht wenige Menschen in sich tragen und dass ich damit jetzt nicht einfach wieder aufhören kann.“ Daraus wurde der Auftakt einer ungeplanten Lesereise. „Ich erkläre dabei Jobausstieg und Asienreise nicht zum Allerheilmittel für jeden, sondern möchte vermitteln, wie wichtig es ist, die eigenen inneren Wünsche und Wahrheiten wahr- und ernst zu nehmen. Und ich will zeigen, dass das Betreten von unbekanntem, vermeintlich unsicherem Terrain in der eigenen Biographie nicht in Absturz und Depression enden muss.“
Im Anschluss an den Vortrag konnten viele bewegende Fragen der Besucher unter Moderation von Chefarzt Dr. Peter Rochlitz beantwortet werden. Im Foyer der Klinik klang der Abend bei einem kleinen Imbiss und Getränken aus. Die Klinik selbst präsentierte an einem Infostand ihr Behandlungsangebot und beantwortete viele Fragen zu einer psychosomatischen Reha.